Bundesweit erfüllt mehr als jeder vierte Erwachsene im Zeitraum eines Jahres die Kriterien einer psychischen Erkrankung. Zu den häufigsten Krankheitsbildern zählen Angststörungen, Depressionen und Störungen durch Alkohol- oder Medikamentengebrauch. Für die knapp 18 Millionen Betroffenen und ihre Angehörigen ist eine psychische Erkrankung mit massivem Leid verbunden und führt oft zu schwerwiegenden Einschränkungen im sozialen und beruflichen Leben.
Derzeit besteht ein drastischer Mangel in der Versorgung psychisch Erkrankter: Die Bundesärztekammer schätzt, dass es rund 7000 Kassensitze für Psychotherapeutinnen und – therapeuten zu wenig gibt. Diese Unterversorgung führt dazu, dass die durchschnittliche Wartezeit auf ein Erstgespräch mit einem Therapeuten oder einer Therapeutin bei knapp sechs Wochen liegt.
Zudem präsentieren viele Menschen sogenannte psychosomatische Beschwerden – hier stehen nicht direkt psychische Symptome im Vordergrund. Wenn Menschen über Bauchbeschwerden, Verdauungsbeschwerden, Herzrasen, Herzstolpern, Atemnot, Kopfschmerzen, Schwindel, Schmerzen an der Wirbelsäule oder den Gelenken berichten, steht zunächst die Ausschlussdiagnostik im Vordergrund (körperliche Ursachen müssen durch ärztliche Untersuchungen ausgeschlossen werden). Wurden durch beispielsweise Labortests, Ultraschall, radiologische Untersuchungen, Magen / Darmspiegelung etc. keine körperlichen Erkrankungen festgestellt, geht man von psychischen Problemen aus, die diese Symptome hervorrufen.
Zahlreiche Statistiken, die insbesondere von verschiedenen gesetzlichen Krankenkassen regelmäßig anhand der Arbeitsunfähigkeitszeiten der angestellt arbeitenden Bevölkerung erhoben werden, verzeichnen einen deutlichen Anstieg psychischer Erkrankungen.
Ursachen für den Anstieg psychischer Erkrankungen sind insbesondere die Auswirkungen von Krisen wie der Coronapandemie und des Krieges in der Ukraine.
Laut DAK stiegen die Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen im Zeitraum von 2013 – 2023 um 52% an. Die Kaufmännische Krankenkasse verzeichnete 2022 ein Plus von 16% bei Krankschreibungen und Fehltagen wegen seelischer Erkrankungen. Depressionen, chronische Erschöpfung oder Angststörungen treten demnach weiterhin häufiger bei Frauen auf, doch bei Männern stieg die Zahl der Fehltage besonders stark.
Bei weitem am häufigsten waren laut KKH verschiedene Formen von Depressionen. Die häufigste Diagnose seien „depressive Episoden“ gewesen, dicht gefolgt von „depressiven Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen“. Auf Platz drei lagen „wiederkehrende Depressionen“. Zudem verursachten chronische Erschöpfung, Angststörungen sowie somatoforme Störungen viele Fehltage.
Die Zahl der Fehltage wegen psychischer Krankheiten ist im ersten Halbjahr 2024 nochmals stark gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gab es 14,3% mehr Arbeitsausfälle aufgrund von Depressionen oder Anpassungsstörungen (Quelle: Deutsches Ärzteblatt)
Psychische Beschwerden können sowohl Betroffene als auch ihre Angehörigen vor große Herausforderungen stellen. Oft wissen sie nicht, wo sie passende Hilfe finden können. Um diese Orientierung zu erleichtern, gibt es in Rheinland-Pfalz verschiedene Hilfsangebote und Anlaufstellen, die wir hier vorstellen.
Das psychNAVi Rheinland-Pfalz bietet eine umfassende Übersicht über das psychiatrisch- psychotherapeutische Hilfesystem im Land. Es hilft dabei, schnell die passenden Angebote zu finden, seien es Behandlungsmöglichkeiten, Selbsthilfegruppen oder Krisenhilfen. Eine Infothek stellt zusätzlich wertvolle Informationen bereit. Mehr dazu finden Sie auf der Website des psychNAVi.
Eine weitere Orientierungshilfe bietet das Patienten-Navi des Patientenservice der 116117. Das Patienten-Navi bietet die Möglichkeit, eine Selbsteinschätzung ihrer Beschwerden aufzunehmen und anhand dessen geeignete medizinische Anlaufstellen zu finden und Termine zu vereinbaren. Sie finden das Patienten-Navi auf der Website 116117.de.
In akuten psychischen Notfällen sollten Sie nicht zögern, den Rettungsdienst unter der Nummer 112 zu rufen.
Für weniger dringende psychische Belastungssituationen kann der Sozialpsychiatrische Dienst (SPDi) eine wichtige Anlaufstelle sein. Dieser Dienst bietet Beratung und Unterstützung für Betroffene, Angehörige und ihr Umfeld. Sozialarbeiter:innen helfen dabei, die Situation zu klären und vermitteln bei Bedarf weitere Hilfen. Die Gespräche sind vertraulich und kostenlos, auf Wunsch werden auch Hausbesuche durchgeführt. In der Region Mayen-Koblenz und Koblenz gibt es mehrere Standorte:
in Andernach (Breite Straße 109), Mayen (Bannerberg 6) und Koblenz (Mainzer Straße 60a).
Termine können telefonisch unter 02632 / 2516 -Durchwahl vereinbart werden.
Weitere Details finden Sie auf der Website des SPDi.
Für gesetzlich Versicherte bietet der eTerminservice der 116117 die Möglichkeit, schnell einen Termin für eine psychotherapeutische Sprechstunde oder ein Erstgespräch zu buchen. Dies funktioniert entweder telefonisch unter 116117 oder online unter eterminservice.de. Für die Terminbuchung benötigen Sie keinen Überweisungsschein oder Konsiliarbericht. Falls vorhanden, können Sie jedoch einen Vermittlungscode nutzen, um die Suche zu erleichtern. Bei der Online- Terminbuchung geben Sie die gewünschte Fachrichtung, Ihre Postleitzahl und eine E-Mail-Adresse ein, um freie Termine in Ihrer Umgebung zu finden. Sollte aktuell kein Termin verfügbar sein, lohnt es sich, die Website zu einem späteren Zeitpunkt erneut zu besuchen.
Wer dringend einen Therapieplatz sucht, kann sich auch an die Ambulanzen von Ausbildungsinstituten für Psychotherapie wenden. Diese bieten psychotherapeutische Behandlungen unter Supervision von erfahrenen Therapeut:innen an. Termine sind hier oft schneller verfügbar, und die Kosten werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Eine Liste der Ausbildungsinstitute in Rheinland-Pfalz finden Sie hier.
Für Menschen mit schweren oder chronischen psychischen Erkrankungen sind Psychiatrische Institutsambulanzen (PIA) eine wichtige Anlaufstelle. Diese Einrichtungen bieten umfassende Diagnostik, Behandlung und soziale Unterstützung. Zu den PIAs in Rheinland-Pfalz zählen beispielsweise die PIA der Barmherzige Brüder Saffig, PIA der RMF Andernach, PIA des Uniklinikums Mainz sowie die PIA Bernkastel und Wittlich. Um hier behandelt zu werden, benötigen Sie in der Regel eine Einweisung oder Überweisung, einen Konsiliarbericht, Ihre Krankenversicherungskarte und relevante Vorbefunde.
Zusätzlich gibt es Online-Portale wie therapie.de, die bei der Suche nach Psychotherapeut:innen helfen, oder gruppenplatz.de, wo freie Plätze für Gruppentherapien angezeigt werden.
Eine umfassende Übersicht über ambulante Versorgungsangebote in Rheinland-Pfalz finden Sie auf der Website der Kassenärztlichen Bundesvereinigung: kbv.de.
Mit diesen Hilfsmitteln stehen Ihnen zahlreiche Wege offen, um die passende Unterstützung zu finden und Ihre psychische Gesundheit zu fördern. Zögern Sie nicht, die ersten Schritte zu gehen!
Ihr Team der Praxis West
Dr. Silke Orth, Dr. Patrick Kudielka, Dr. Ottmar Orth und das gesamte Team der Praxis West